Der Ton der Heimat
Seit über 40.000 Jahren benutzt der Mensch Farben – sie sind uns allgegenwärtig. Fein nuanciert in der Natur, knallbunt und voller Kontraste in der von uns geschaffenen urbanen Welt. Sie sind uns eine Selbstverständlichkeit in ihrer Gegenwärtigkeit und in ihrer Verfügbarkeit. Das Wissen, wie Farbe hergestellt wird, ist ein ehemals geheim gehaltenes Fachwissen. Noch heute findet die Produktion hinter dicken Fabrikmauern verborgen statt.
Wenn aber doch alles um mich herum bunt ist, dann muss es doch auch mir möglich sein, dieser Umgebung etwas Farbe abzugewinnen! Zuletzt hatte ich mich in meinem „Heimatzyklus“ mit der Landschaft und den Bodendenkmälern in den Wupper-bergen beschäftigt. Vom Bild der sichtbaren Landschaft kam ich zu der Frage, was zuerst da war: der Ort oder der Weg dorthin? Die Frage führte mich in die Vergangenheit, zu den Baudenk-mälern und Ruinen, zu den versunkenen Orten bis zu den ältesten Spuren aus der Steinzeit. Steine!
Jetzt habe ich mich tiefer gegraben als das älteste Zeugnis unserer Vorfahren. Ich bin unserer Heimat auf den Grund gegangen, habe geschürft und gesucht, auf welchem Stein wir leben und welche Farben er hat. Die Urfarben meiner Heimat reichen in ihrer Entstehung über 400 Millionen Jahre zurück in das Zeitalter des Devon, als erste Pflanzen und Meerestiere lebten. Gebildet aus Sedimenten noch viel älteren Gesteins, sprengt die Vorgeschichte dieser Töne unser Vorstellungsvermögen.
Die Frage des Ortes, des Ursprungs führte mich zu meinem Farblager – ich musste es nur heben. Vor 4 Jahren sammelte ich ein paar Steinchen, zerstieß sie im Mörser und siebte immer feiner, bis ich ein Pigment zur Verfügung hatte. Mittlerweile sind diese Pigmente zu meiner Leidenschaft geworden. Ein archaischer Akt voller Kraftanstrengung und Geduld bis aus Steinen Farben werden. Ich werde nicht müde zu forschen, welche Farben meine Heimat zu bieten hat. Die Frage „Wie bringe ich den Ort in das Bild?“ hat eine interessante Antwort bekommen. Wenn ich den Ort nicht nach der Natur malen möchte, bzw. der Ort, wie ich ihn sehe – in der vielschichtigen Kombination aus Zeit und Raum – so nicht darstellbar ist, kann ich aber immerhin seine Farben nehmen.
Es sind nicht die Farben, die ich bei einem Besuch sehe, sondern Farben aus der ursprünglichsten Substanz des Ortes – seinem Gestein. Analog zu dem bekannten Sprichwort „nachts sind alle Katzen grau“ kann ich sagen, dass auch das Gestein vor Ort betrachtet nur eine Vermutung über den Farbton zulässt. So manches Grau hat sich im Atelier z.B. als Grün entpuppt. Naturfarben haben, anders als synthetisch gefertigte Farben, ein ungleich reicheres Spektrum. Sie sind keine „reinen“ Farbtöne, sondern polychrom. Die Farben, die ich hergestellt habe, sind bis auf die Schwarztöne (Holz- und Steinkohle, verkohlte Knochen) alle anorganisch. Es sind Mineralien mit einer Kristallstruktur, die man in dieser Art nicht synthetisch herstellen kann. Aufgetragen auf einen Grund aus Kreide- und Marmormehl erreichen sie trotz ihrer eher gedeckten Naturtöne -von hellem Ocker über tief-dunkle Rottöne bis hin zu Grün und Violett- eine wirklich erstaunliche Strahlkraft und Brillanz!