Solinger Bote 02/2016

Aus Steinen werden Naturfarben – Vernissage im Atelier Brenger
von Martina Hörle

„Begonnen hat es damit, dass ich einen Ort auf eine Weise darstellen wollte, wie man es normalerweise nicht macht.“ So erklärt Tom Brenger den Ursprung seiner Ausstellung „Landschaft der Farben – der Ton der Heimat“, die heute Nachmittag, 18 Uhr, eröffnet wurde.
Der Naturmensch Tom Brenger, der seit Kindesbeinen an immer gerne draußen ist, hat vor fünf Jahren damit angefangen, Farbe aus Naturmaterialien herzustellen. An den Orten, die er aufsuchte, interessierten ihn vor allem Farben, nicht die sichtbaren, sondern solche, die er im Boden finden konnte. „Die Proben, die ich mit nach Hause nahm, sahen anfangs für mich ein bisschen grau oder ein bisschen beige aus“, erzählt er. „Manchmal unterschieden sie sich nur durch winzige Nuancen.“
Vor drei Jahren hat er seine Tätigkeit intensiviert und systematisiert. Von jeder Probe, die er in seinen Rucksack gepackt hatte, wurden genaue Aufzeichnungen gemacht. Er begann sich mit Geologie zu befassen und verfasste Notizen darüber, welche Gesteinsschichten es in der hiesigen Region zu finden gibt.
Jetzt kann Brenger sogar mit Hilfe seiner Farbmaterialien manche Wanderwege nachstellen. Sein Lieblingswanderweg ist der Landrat-Lucas-Weg von Leichlingen über Glüder bis zum Rüden. Es geht immer an der Wupper entlang und Brenger genießt dabei die schönen Ausblicke, vom Material für seine Farben ganz zu schweigen.
In seinem Atelier ordnete er zunächst nach Farbverläufen. Dann aber zog er es vor, nach den drei wesentlichen Gesteinsschichten zu sortieren. An einer Wand seines Ateliers hängen jetzt drei große Farbtafeln nebeneinander. Links Unteres Mitteldevon, Mitte Oberes Unterdevon, rechts Unteres Unterdevon. Diese Tafeln decken einen Zeitraum von über 50 Mio. Jahren ab. Die intensive Beschäftigung mit Naturmaterialien hat ihn auch als Künstler verändert. Die Werke, mit denen er sich rund zwanzig Jahre befasst hat, laufen jetzt nebenher. Das natürliche Material fasziniert ihn. „Meine Fachbibliothek wächst stetig. Es ist erstaunlich, wie viel Informationen es über Farben und Pigmente gibt.“
Er erklärt weiter: „Auch wenn manche Farbtafeln monochrom scheinen, wirken sie unter der Lupe betrachtet völlig anders. Ganz reine Farben gibt es nur auf synthetischer Basis.“ Synthetik und Acrylate verwendet Brenger nicht. Seine Bindemittel sind auf natürlicher Basis, seine Tafeln genau wie Ikonen grundiert.
Es ist eine mühevolle Arbeit, die Steine im Mörser zu zerstoßen und zu Pigmenten zu verarbeiten, aus denen Farben hergestellt werden können. Mittlerweile ist Tom Brenger bei 178 Farbtönen angekommen. Doch noch ist nicht Schluss. „Ich habe genügend Material übrig, um die 200 voll zu machen“, erklärt Brenger. Doch derzeit hat die Dokumentation für ihn absolute Priorität. „Ich habe so viele Notizen und gesammelte Informationen zu meinen Gesteinsproben, die unbedingt verarbeitet werden müssen. Ich mag es nicht, wenn Gedanken verloren gehen!“

„Landschaft der Farben – der Ton der Heimat“, Ausstellung eines Künstlers, der mit Hilfe von Steinen durch die Zeit reist. (mh)

Die Hand an der Wand – ein Experiment

Zeugnisse menschlicher Kunst aus der Frühgeschichte der Menschheit sind zahlreich, es vergeht kaum ein Jahr ohne neue Funde und Erkenntnisse. So ist die Verwendung von Rötelerden und Ocker schon für die Neandertaler nachweisbar. Beeindruckend sind die zahlreichen Beispiele für Höhlenmalerei. Neben den Darstellungen von Tieren (häufigstes Motiv) und abstrakten Zeichen finden sich immer wieder Bilder von Händen. Versuche der Experimentalarchäologie haben eindeutig ergeben das sie durch Aufspucken der Farbe, oder Abklatschen der eingefärbten Hand entstanden sind. Ich habe eine dieser mindestens 35.000 Jahre alten Techniken mit selbstgewonnener Erdfarbe nachempfunden, und habe das Pigment, mit Bindemittel vermengt, auf die Wand gespuckt. (Bindemittel: Gummi Arabicum) Es wurden auch Blasrohre gefunden mit denen das trockene Pigment aufgeblasen werden konnte. Durch die Feuchtigkeit in den Höhlen haftete das Pulver am Fels.

Der Titel des Beitrags zitiert den Buchtitel einer für die Forschung und Deutung der Höhlenmalerei wichtigen Schrift: „Die Hand an der Wand“ (Max Raphael, 1889 – 1952)
Raphael, der zuvor schon Schriften über Kunstgeschichte, Ästhetik und Archäologie verfasste, arbeitet bis zu seinem Freitod an einer „Empirischen Kunstgeschichte“, die sich auch der Höhlenmalerei widmete. Er war der erste Forscher und Kunsttheoretiker der sich streng wissenschaftlich mit der bis Anfang des 20. Jahrhunderts kaum beachteten Kunst der Steinzeit beschäftigte. Bis heute gelten seine Schriften zu dem Thema als Meilenstein.

HandAnDerWand
Hand in steinzeitlicher Spucktechnik, 2014

 

Die Farbtafeln

Von jedem der 178 Pigmente, die ich hergestellt habe, gibt es eine Farbtafel. Ich verwende Holzkörper im Format 15 x 15 x 3 cm mit gezinkten Seitenteilen und einer Malfläche aus Sperrholz. Die Grundierung mische ich aus Kreide und Marmormehl, die Firnis setze ich aus Dammarharz in Balsamterpentin an. Das Bindemittel für Grundierung und Pigment ist Knochenleim. Meine Farbtafeln sind frei von synthetischen Stoffen. Zusätzlich zu den Holztafeln habe ich für jede Farbe Proben auf Papier angelegt sowie jeweils ca. 1000 Stück handgeschöpfte Büttenpapiere in den Formaten 7,5 x 7,5 cm und 5,0 x 5,0 cm.

Farbfelder auf Bütten

Farbfeld_01Die letzten Ateliertage waren von der Arbeit mit kleinen Büttenpapieren geprägt (7,5 x 7,5). Die kleinen Bütten habe ich während der Arbeit an den Holztafeln „nebenbei“ gemacht. Da ich von allen 152 Farben direkt mehrere Bütten angefertigt habe, um die Farbfelder auch in Papier ausführen zu können ist die Zahl auf rund 1000 angewachsen. Hier ein Ausschnitt aus der Papierversion des großen Farbfelds.

Einsiebung eines Vogelschädels

Vogelschaedel01Den Vogelschädel (evtl. Bussard) fand ich bei einer Wanderung. Das Bild enstand als ich gemörsertes Gestein für meine Pigmente gesiebt habe. Der Schädel ist also mit einer meiner Farben bedeckt. Es handelt sich um Gestein das man an der Wupper im Umkreis um Glüder finden kann. (2012)